Sketchnotivieren und Segel setzen

… vom Aufbruch und der Mission, die ganze Schule mitzunehmen und dem Wissen „Neu sind Visualisierungen nicht!“

Ab und zu werde ich erstaunt gefragt: „Und an deiner Schule nutzen alle Sketchnotes?“ Dann folgt die Ernüchterung: „Nein, aber zunehmend alle kennen Sketchnotes.“ Und das ist immerhin ein Anfang.

Nadine Roßa, die Autorin des Buches „Sketchnotes in der Schule“, interviewte mich kürzlich für ihren Blog und stieß mit einer Frage einen Denkprozess in mir los, der mich schon länger umschwirrt: How to „sketchnotivate“ your school? Und warum erscheint Bildsprache allen neu, nur mir nicht?

Mal im Ernst, in welchem Unternehmen würden Sketchnotes von heute auf morgen einziehen? Vermutlich in keinem. Aber es gibt ein paar Pfeiler auf dem Weg, an denen man sich orientieren kann. Als ich mich in den vergangenen Wochen damit beschäftigte, wie genau dieser Prozess in meiner Schule abläuft, stolperte ich über den „Entkrustinierungsprozess“ mit der Frage, wie man nicht-visuelle Unternehmen visuell infiltrieren kann. Hierzu gab es beim Sketchnote Barcamp 2019 eine Session, die ich leider nicht besucht habe. Nadine Roßa hat passend kommentiert, dass wir dieses Aufgabenfeld in der Schule schon erledigen können. Denn sobald visuell arbeitende SchülerInnen die Betriebe entern, geschieht dies vielleicht mit einem größeren Selbstverständnis und Vorwissen.

Am Ende beißt sich jedoch die Katze in den Schwanz, denn auch unsere jeweiligen Schulen, als mehr oder weniger agile Unternehmen, muss man diesbezüglich wohl erst mal „entkrustinieren“. Und genau in diesem Prozess befinde ich mich. Ich entkrustiniere eine Gesamtschule und bringe eine visuelle Arbeitsweise mit, die ich von Förderschulen (Förderbereich geistige Entwicklung) mit einem weitergefassten Leseverständnis schon kenne. Das Bilderlesen als Dekodieren von Fotos oder Piktogrammen, um beispielsweise Bildanleitungen, wie Bauanleitungen und Rezepte zu lesen, ist nicht neu. In einer weiterführenden Schule bewusst Sketchnotes einzuführen und damit vermeintlich einen Schritt zurück zum Bilderlesen zu gehen, scheint hingegen sehr neu. Ziel des Ganzen bleibt in beiden Schulformen das Gleiche: Einerseits sollen Lehrkräfte unter Einsatz von Visualisierungen Unterrichtsstoff aufbereiten und zugänglich machen, andererseits sollen SchülerInnen befähigt werden, selbst Visualisierungen zum Zwecke von Kommunikation und Dokumentation zu nutzen.

In diesem Beitrag soll es also darum gehen, wie ich mit meiner Vorerfahrung und meiner Affinität zu Sketchnotes meine Schule entere. Es geht es darum, wie ich die Ziele an einer allgemeinbildenden Schule verfolge, welche Prozesse ich dabei durchlaufe und ich zeige, dass das Ganze gar nicht so schnell abläuft, wie ich es gern hätte.

Am Anfang stand ich als visualisierende Lehrkraft alleine da. An dieser Stelle ist das Beste Rezept: Einfach machen und als Vorbild voran gehen. Am besten so, dass andere es mitbekommen. Ich habe zunächst geübt und die Sketchnotes „heimlich“ in Konferenzen ausprobiert. Als ich spontane Ergebnisse für vorzeigbar hielt, begann ich damit, mich in Arbeitsgruppen visuell (moderierend) einzubringen. Es gibt hier zahlreiche Anlässe im Kollegium. Darüber schuf ich auch für SchülerInnen Sichtbares. Ich gestaltete Plakate und Arbeitsblätter und ergänzte andere Materialien visuell. Ich habe den Begriff „Sketchnotes“ eingebracht, bis viele ihn kennen. Dazu habe ich z.B. auch einen Stand auf dem Tag der offenen Türe initiiert. Ausgestellt habe ich eine große Sketchnote („Was sind Sketchnotes?“) kombiniert mit dem Plakat einer „visualisierten Lernmethode“ und einer kleinen „Jeder kann zeichnen“-Mitmachaktion. Die war ein Renner.

Wer sich selbst noch nicht als Sketchnote-Experte empfindet, kann sich hierzu zunächst selbst oder am besten mit KollegInnen fortbilden. Um seine Schule zu entern sollte es jemanden geben, der sich selbst mit dem Thema auseinandersetzt und es zu seinem Thema macht. Dies zeigt sich in Schulen meiner Erfahrung nach am wirksamsten, weil das Wissen dann auch spontan und im Alltag vorhanden/zugänglich ist und keine Eintagsfliege bleibt.

Dann gilt es KollegInnen aktiv mit an Board zu nehmen. Ich spreche häufig über die Ausgestaltung, lasse Gruppen partizipieren und biete demnächst einen kollegiumsinternen Workshop zum Thema „Sketchnotes“ an. Es kam dazu, dass ich auftragsmäßig für Arbeitsgruppen Material digital visualisiere, wenn dies dauerhaft/repräsentativ zum Einsatz kommen soll. Um Hilfe gebeten zu werden ehrt mich sehr, denn es zeigt, dass die KollegInnen den Mehrwert der Methode „Sketchnotes“ erkannt haben und Interesse haben, diese zu nutzen. Auf Dauer würden mich Auftragsarbeiten jedoch zu einer 250% Stelle in meiner Schule führen, daher habe ich den Plan gefasst, meine KollegInnen zu sketchnotivieren (motivieren selbst Sketchnotes zu erlernen und anzufertigen). Von Vorteil ist es, wenn die Schulleitung mit an Board ist. In meinem Fall ist sie früh mit Begeisterung eingestiegen. Da ich an einer sehr veränderungsoffenen, fortschrittlichen Schule unterwegs bin, habe ich Glück gehabt. Ich kann mir vorstellen, dass es Schulen gibt, wo mehr Überzeugungsarbeit, eventuell Faktenwissen zur Argumentation und gute Beispiele geliefert werden müssen. Die Etablierung kann dann länger dauern.

Weil Materialien und visualisierte Stundenabläufe für die SchülerInnen zunehmend sichtbar sind, beginne ich in dieser Phase die Kids mitzunehmen. Da es sich bei Sketchnotes durchaus um ein komplexes Werkzeug handelt dauert es länger, bis diese Sketchnotes selbst anwenden können. Aber Menschen lernen vor allem am Vorbild. Konfrontiert man sie mit einem so aufbereiteten Material, haben sie es langfristig einfacher. Sind viele Lehrer sketchnotiviert, leben die Methode und den Umgang mit dem Werkzeug vor und finden sich im Unterricht gute Beispiele, so begleitet man sie dahin, selbst zum Anwender zu werden.

Mein Workshop im Kollegium steht noch aus. Schaffe ich es hier bereits wenige KollegInnen zu motivieren, selbst Sketchnotes anzuwenden, tauchen wir gemeinsam ab. Wir zeigen Bilder aus der schön visualisierten Unterwasserwelt, holen mehr Personen an Board und es wird ein schleifenartiges Voranschreiten. Da die Akzeptanz für „Sketchnotes“ vorhanden ist, liegt der nächste große Schritt auf der SchülerInnen-Ebene:

Die Königsklasse-superduper-Traum-Vorstellung: SchülerInnen wenden selbstgesteuert Sketchnotes als Werkzeug an, um ihren Lernprozess aktiv zu gestalten und Inhalte tiefgründiger zu verstehen. Ja, das funktioniert. Ich selbst erinnere mich noch an Mitochondrien, Photosynthese und Osmose und das nicht, weil ich Biologie studiert habe, sondern weil ich hierzu selbst vor mehr als 14 Jahren eine meiner ersten Sketchnotes angefertigt habe. Mein Lernprozess bestand darin, den vermittelten Stoff selbst umzusetzen, mich von Bildern aus dem Biobuch inspirieren zu lassen und etwas eigenes zu entwickeln. Ich weiß von mir, dass ich ein visueller Lerntyp bin und immer schon gerne gekritzelt habe ohne Angst, dass es wahnsinnig hässlich aussehen würde. Mir war wichtig, dass es funktionell und erkennbar ist. Und genau das hat mich voran gebracht. Andere haben die Bilder auch erkannt, haben mich gelobt und ich habe das Ganze weiter verfolgt und weiterhin so gelernt. Um SchülerInnen mitzunehmen muss ich als Lehrkraft ihr Selbstvertrauen bestärken, kann ihnen die notwendigen Eckdaten und eine Idee vom Werkzeug geben und kann in meinem Unterricht zum Sketchnoten einladen. Ich muss aber als Lehrerin auch akzeptieren, wenn SchülerInnen daran keinen Spaß finden, keine visuellen Lerntypen sind und sollte das Ganze als Angebot und nicht als Pflicht verstehen.

Wie ich das Werkzeug genau an die SchülerInnen bringe, ist einen oder mehrere eigene Beiträge wert und folgt, sobald ich hier weiter vorangeschritten bin und weitere eigene Erfahrungen als Lehrkraft gesammelt habe.

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